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Pioneer SA-900

Im Jahr 1971, ich war damals noch Hifi-Fach-Verkäufer (dhfi) und 19 Jahre alt, kam der Vertreter der Marke Pioneer zu mir ins Hifi-Studio und stellte mir die Marke Pioneer vor. Ich kannte diesen Hersteller bereits, allerdings nur auf dem Papier in Prospekten und der “Bibel”aller Hifi-Fachleute – dem Hifi-Jahrbuch. Reale Geräte dieser Marke hatte ich hingegen noch nie gesehen, angefasst oder gar gehört. Es erweiterte das Angebot in meinem Studio aber ganz gewaltig und ich freute mich sehr darüber, dass ich in unserer Gegend der einzige war, der die Marke Pioneer im Programm hatte. Die Verstärkerserie, die es damals gab, bestand aus drei Vollverstärkern: dem SA-500 (klein), dem SA-700 (mittel) und dem SA-900 (groß). Von letzterem soll heute hier die Rede sein. Dieser Verstärker kostete seinerzeit knapp 1000 DM, was schon eine ganz schöne Ansage war, dafür bot der SA-900 aber auch 2 mal 84 Watt sinus an 4 Ohm (und übertraf damit den hochgelobten und 400 DM teureren Grundig SV-140 locker), hatte Spitzenwerte und wog 12,3 kg. Vor allem aber: er sah aus, wie ich mir “richtige” Hifi-Geräte vorstellte…

 

Das Exemplar, welches nun nach immerhin 45 Dienstjahren auf meinem Werkstatt-Tisch landete, war zwar einige Jahre zuvor schon einmal etwas unpassend repariert worden, stellte sich aber sonst in einem durchaus respektablen Zustand dar. Zunächst wurden also erstmal die “falschen” Halbleiter der früheren Endstufenreparatur durch möglichst originale ersetzt. Der SA-900 ist von Hause aus mit 2SD218 bestückt, in Quasi-Komplementär-Schaltung mit Ausgangselkos – das war seinerzeit Stand der Technik (obwohl es schon damals einige wenige echte Komplementärendstufen gab, es waren aber noch Ausnahmen). Der Reparateur hatte diese beiden durch 2N3442 ersetzt, das ist zwar ein NF-Transistor, der jedoch nur 800kHz als Transitfrequenz vorzuweisen hat. Aus Erfahrung weiß man, dass solche Transistoren einfach keinen guten Klang zustande bekommen. Das Original, der 2SD218 kann 10MHz, der von mir gewählte Ersatz 2SC1586 ebenfalls. Bei dieser Gelegenheit erneuerte ich auch gleich die Endtransistoren im anderen Kanal, damit beide Kanäle absolut gleich klingen. Diese beiden 2SD218 liegen nun in unserem Lager und werden irgendwann einmal einem anderen Gerät das Leben verlängern. Keine Sorge – der Besitzer des SA-900 muss nur zwei Transistoren bezahlen – Ehrensache.

 

 

 

Hier die beiden "falschen" Ersatztransistoren.

 

Auch die Treibertransistoren wurden nicht original und dazu noch etwas abenteuerlich ersetzt – auch dort kamen die Original-Typen hinein und zwar auf der anderen (richtigen) Seite der Platine.

 

Hier das Kühlblech mit allen vier Endtransistoren.

 

Diese sind von Sanken und keine modernen Fakes, sondern echte alte (aufbewahrte) Transistoren.

 

Links im Bild die neuen Treibertransistoren auf der noch ungereinigten Endstufenplatine.

 

Hier ist nun alles wieder korrekt montiert.

 

Ich konnte mich nun der umfangreichen Schalter- und Poti-Kur widmen und etliche Kondensatoren erneuern. Auch das verhilft den alten Geräten wieder zu neuem ungewohnten Klang. Die Frontplatte wurde dafür demontiert.

 

Nach dem Ende der Arbeiten präsentiert sich der Verstärker so von unten…

 

…und so von oben. Die beiden grauen Elkos in der Bildmitte sind die Ausgangs-Koppel-Elkos der beiden Endstufen. Links befinden sich die Siebelkos der Netzteile. Alle Platinen sind herausnehmbar, da die Zuleitungen dafür lang genug sind.

 

Nachdem nun alles wieder zusammen gebaut war, darf der Verstärker mal von außen betrachtet werden. Charakteristisch für diese Jahre waren bei Pioneer die Holzleisten außen an der Frontplatte.

 

Die Front ist durchaus übersichtlich und gibt keinerlei Rätsel auf. Die Kappen der oberen, größeren Knöpfe sind leider alle ausgeblichen und dunkelbraun geworden – die waren alle mal tiefschwarz, so wie die kleineren, unteren Knöpfe es noch heute sind. Passiert leider sehr häufig und liegt meines Erachtens an der direkten Sonnenbestrahlung.

 

Auf der linken Seite findet sich der Netzschalter (ungewöhnlich zum drehen!), die Klangsteller (Bässe und Höhen) sind als Schalter und für jeden Kanal einzeln ausgeführt (auch das ist beides ungewöhnlich). Es gibt eine Lampe als Power-Kontrolle (immer noch die erste!).

 

Neben dem Wahlschalter für die beiden Lautsprechergruppen findet sich noch das Balance-Poti, der Muting- und der Tape-Monitor-Schalter (zum Kippen), darüber der Lautstärkesteller.

 

Rechts finden sich noch Loudness-Schalter und High- und Low-Filter (die sind zum Drücken) und darüber der Mode-Schalter und der Eingangswahlschalter. Immerhin bietet der Pioneer Anschlüsse für Mikrofon, Tape-Head und zwei mal Phono, daneben noch Tuner und zweimal AUX – für 1971 eine extrem große Auswahl!

 

Die Rückseite überrascht noch mehr: Phono1 ist für MM und MC-Systeme umschaltbar ausgelegt, wobei außer dem Denon DL-103 und dem TSD-15 von EMT kaum MC-Systeme weltweit auf dem Hifi-Markt existierten. Phono2 hingegen ist zwischen MM und Keramiksystemen umschaltbar – man hatte also bei Pioneer wirklich an alles gedacht. Der Tape-Anschluss ist sowohl in Cinch als auch in DIN vorhanden, daneben ist der Verstärker sogar auftrennbar und mit einem kleinen Schiebeschalter zu verbinden.

Der MM/MC-Umschalter aus der Nähe – für 1971 ausgesprochen weitsichtig! Sehr umsichtig auch die Feinsicherungen in den Lautsprecherleitungen, dies verhindert so manche teure Reparatur.

 

 

Auch diese Lautsprecheranschlüsse waren sehr außergewöhnlich, man fand sie nur an Pioneer-Geräten, bzw. deren Derivate (z.B. einige AKAI). Dadurch kann man aber ohne umständliche Fummeleien hinter dem Verstärker ganz schnell und einfach die Boxen anschließen.

 

Insgesamt war dieser Ausflug in meine Jugendzeit äußerst interessant für mich, denn soviel besser sind die späteren Verstärker auch nicht mehr geworden, da kann der SA-900 auch heute noch ganz gut mithalten.

 

 

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