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Sony STR-7055



Im Jahre 1973 knüpfte der Hersteller Sony an seine bisherigen Linien der bisher angebotenen Receiver 6045 bis 6200 an und brachte  eine neuen Receiver im gleichen Design auf den Markt. Dieser erhielt als erster eine “70” in der Bezeichnung und sollte eine neue Ära einläuten. Das Modell hieß STR-7055, wobei die 55 für zweimal 55 Watt sinus an 4 Ohm stehen sollte. Mit diesem Gerät wollte man alles richtig zu machen, um damit zu den großen etablierten Hifi-Anbietern aufzusteigen, was der Marke bis dahin noch verwehrt war. Sony hatte den Ruf sehr edle, aber eben teure Hifi-Geräte anzubieten, was auch stimmte. Leider wurden die preiswerten kleinen Receiver nicht so recht wahrgenommen, jedenfalls was die Absatzzahlen anbetraf. Mit dem STR-7055 sollte sich dies nun endlich ändern. Dennoch kam der Absatz nicht so recht in Schwung. Erst ein Test der damals sehr populären Hifi-Zeitschrift “Hifi-Stereofonie” ordnete diesen Receiver beinahe in die Spitzenklasse sein, in der sich sonst nur Geräte zum mindestens doppelten Preis tummelten. Einziger Kritikpunkt Journalisten war das fehlende Feldstärkeinstrument – ansonsten gab es nur uneingeschränktes Lob. Mit rund 1.200 DM war der STR-7055 für den geboteten Gegenwert unglaublich preiswert und entwickelte sich so in kurzer Zeit zu einem echten Verkaufsschlager. Nachdem 1975 alle Geräte abverkauft waren, die Nachfrage aber noch immer ungebrochen, orderte man in Japan eine zusätzliche Serie, die dann STR-7055A hieß. Dieser Receiver blieb dann bis 1978 im Programm und wurde dann vom STR-4800 abgelöst. Der STR-7055(A) ist bis heute ein sehr häufig angebotenes Modell, weil davon riesige Stückzahlen verkauft wurden. Er ist bis heute unter Hifi-Freunden durchaus beliebt und genießt den Ruf sehr solide gebaut zu sein. Am Ende hat er der Marke Sony aber zu dem verholfen, was man einen sehr bedeutenden Hifi-Hersteller nennt. Insofern ist der STR-7055 in der Hifi-Geschichte wirklich wichtig, ähnlich dem VW-Golf beim augenblicklich größten Autohersteller der Welt.

Ein Blick in diesen Receiver lässt den Fachmann doch staunen, wie weit man 1973 bei Sony schon war! Die überaus potenten Endstufen sind mit den damals brandneuen und ultraschnellen Sanken Transistoren 2SA745 und 2SC1403 bestückt und das in komplementärer Schaltung, die ohne Ausgangselkos auskommt und 1973 in dieser Preisklasse eher selten anzutreffen war – schon gar nicht mit so hochwertigen  Transistoren.
Die Endstufen sind überaus servicefreundlich in herausnehmbaren Kühlkörpern untergebracht. Dieses Exemplar leistet übrigens noch gemessene 2 mal 53 Watt sinus an 8 Ohm (bei 0,1% THD+N), obwohl Sony nur 2 mal 45 Watt an 8 Ohm nach DIN (also 1% Klirr) angibt.
Ein Blick von unten in den STR-7055 – wirklich alles sehr solide gebaut. Nach 45 Jahren funktioniert alles noch wie neu (nach nur relativ wenig Nachhilfe).
Der Viergang-FM-Drehko wurde gründlichst gereinigt, das FM-Teil nachgeglichen, ein Spitzenempfang war die Folge. Erstaunlich, wieviele Sender da alle rauschfrei herein kommen.
Der Blick von oben in das offene Gerät lässt links die Treiberplatine erkennen, rechts daneben den Netztafo und die beiden Siebelkos, dahinter die Endstufen-Kühlkörper, rechts das Empfangsteil. Vorververstärker und Klangregelung sind direkt hinter der Front und im Bild nicht sichtbar. Ein Lautsprecherrelais sucht man vergeblich, der STR-7055 hat eine Stummschaltung, die den Ton verzögert durchlässt. Zusätzlich ist eine Überlastautomatik im Netzteil vorhanden, die bei Defekten oder zu hoher Ausgangsleistung bei etwa 2 mal 75 Watt abschaltet.
Die überaus solide Verarbeitung kann man im Detail gut ablesen, die Frontplatte hat knapp 5mm Stärke und ist teilweise noch stärker, um Schrauben aufzunehmen. Die Skala ist natürlich nicht aus Kunststoff, sondern aus Glas.
Der Trafo ist reichlich dimensioniert, auch sind schon etliche IC’s (aus Sony-eigener Fertigung!) verbaut.
Von der Optik her blieb man bis 1978 der eingeführten Designlinie treu: silberne Frontplatten mit den üblichen Riffelknöpfen und den runden Knöpfen für die Kippschalter. Skalenfarbe: grün.
Sehr klare Linien: oben rechts und links der Skala, je ein großer Knopf für Volume/Balance und Tuning. Darunter in einer Linie alle übrigen Bedienelemente und Buchsen. Das Design wirkt niemals altmodisch oder verspielt.
Haptisch überzeugt dieser Receiver immer, nie hat man das Gefühl es sei etwas “billig” oder minderwertig gemacht, stets vermittelt das Gerät einem, hier geht es um gediegene und teure Technik, alles ist wertvoll und haltbar.
Dabei ist alles übersichtlich untergebracht, die Bedienung gibt keine Rätsel auf.
Lautstärke und Balance in einem Doppelpoti, bemerkenswert, dass man kleine Pegel sehr gefühlvoll einstellen kann.
Bass- und Höhensteller sind als Doppelpotis ausgeführt, so dass man auf Wunsch auch rechts und links unterschiedlich einstellen kann. Im Normalfall bleiben die beiden Knöpfe aber deckungsgleich, man muss diese im Bedarfsfall schon gegeneinander verdrehen.
Anschließbar sind Plattenspieler, Reserve (vorn als Klinke, hinten als Cinch) und zwei Tapes mit Überspielmöglichkeit und Hinterbandkontrolle, eines davon auch in DIN.
Die indirekt beleuchtete Skala aus Glas mit der rot leuchtenden FM-Stereo- Anzeige.
Das kombinierte Anzeigeinstrument (Feldstärke bei AM, Mittenanzeige bei FM) war der einzige Kritikpunkt im Test. Das Verstärkerteil wurde uneingeschränkt der Spitzenklasse zugeordnet, das Empfangsteil eigentlich auch, nur die fehlende Feldstärkeanzeige verhinderte dies und es langte nur für die gehobene Mittelklasse. Dennoch die höchste Einstufung eines 1.200,- DM Receivers jemals. Der Empfänger ist auch wirklich spitze und sehr leicht zu handhaben.
An der Rückseite gibt es auch eine klare Unterteilung: Cinchbuchsen und Antennenterminal links, die Lautsprecher-Anschlüsse und die Kaltgerätesteckdose rechts.
Wen verwundert es noch: der Receiver ist sogar in Vor- und Endverstärker auftrennbar. Die hinteren AUX-Buchsen werden abgeschaltet, sowie man einen Klinkenstecker an der Front in die AUX-Buchse steckt. Das ist sehr praktisch, wenn Freunde oder Bekannte mit ihren Geräten kommen, um etwas zu überspielen.
Man kann tatsächlich drei Paar Lautsprecherpaare anschließen, aber immer nur maximal zwei davon gleichzeitig hören.
Verinnerlicht man sich mal die Geschichte dieses Modells und die Qualitäten dieses Gerätes, wundert man sich nicht mehr über den kommerziellen Erfolg seinerzeit und noch weniger über eine gewisse Wertschätzung des STR-7055 noch heute.

Am Rande sei erwähnt, dass ich mir diesen Receiver 1974 kaufte und jahrelang zu Hause betrieb, zusammen mit riesigen Selbstbauboxen, einem Thorens TD-150 und einer Revox A-77HS (high-speed 19/38 cm in Halbspur). Ich war  damit richtig glücklich, bis ich heiratete und sich irgendwie alles änderte…Meine Schwester am Bodensee lebend, benutzt diesen, meinen ehemaligen, Receiver noch heute täglich – er war noch nie kaputt!